Mikroplastik im Kleiderschrank: Polyester als ökologische Zeitbombe

Polyester – Fundament und Hypothek der Ultra-Fast-Fashion

Polyester ist der heimliche Turbo hinter dem Siegeszug der Ultra-Fast-Fashion – und das aus gutem Grund. Ultra-Fast-Fashion ist wie Fast Food für den Kleiderschrank: billig, jederzeit verfügbar und rasant produziert – aber auf lange und kurze Sicht katastrophal für Umwelt und Gesellschaft. Und der Star dieses Systems heißt Polyester.

Dieses Material ist billig, extrem leicht zu verarbeiten und unglaublich langlebig – leider oft länger, als die Erde es gerne hätte. Schätzungen zufolge kann Polyester gut und gerne 300 Jahre brauchen, bis es sich zersetzt – und so lächelt es in Form von Mikroplastikfasern noch in Jahrhunderten vom Meeresgrund zurück.

Von Plastikflasche zu Mode-Illusion: die Recycling-Mythen

Trotz aller Euphorie rund ums Recycling: Ein echtes, funktionierendes Kreislaufsystem für Polyester in der Modeindustrie gibt es nicht. Theoretisch ließe sich Polyester aus ausgedienter Kleidung einschmelzen und zu neuen Fasern verarbeiten – praktisch ist das aber ein kompliziertes, teures Unterfangen und führt oft zu minderwertigen Fasern. Die Innovation ist stattdessen: Man recycelt Plastikflaschen und verkauft das dann als nachhaltiges Polyester. Klingt toll – ist aber vor allem ein cleverer Marketing-Trick, der das Müllproblem bestenfalls verschiebt, statt es zu lösen.

Wer nun denkt, man könne das Problem durch Recycling in den Griff bekommen, verkennt die Realität: Die Grundlagen dafür sind noch lange nicht gelegt, viel Forschung und Technik müssen erst entwickelt werden. Konsequent gedacht heißt das: Polyester gehört auf den Prüfstand und am besten konsequent verboten.

Natürlich schreien jetzt die Wächter der Industrie auf: „Polyester ist unverzichtbar, in so vielen Bereichen!“ Ja klar, aber für die nächste Billigbluse, die in einem Jahr in der Altkleidersammlung landet? Muss das wirklich sein? Falls eine synthetische Faser nötig ist, sollte sie wenigstens aus Polyamid bestehen – hier gibt es bereits Recyclingmethoden und biobasierte Varianten.

Mikroplastik, CO₂ und fehlende Regulierung – eine tickende Zeitbombe

Der Umgang mit Plastik in der Gesellschaft zeigt eine deutliche Doppelmoral: Während Plastikstrohhalme verboten und für Getränkeflaschen streng geregelte Pfandsysteme etabliert wurden, fristet Polyester in der Modeindustrie ein weitgehend unreguliertes Dasein – und das trotz seiner massiv problematischen Umweltfolgen. Diese unterschiedliche Behandlung ist nicht nur inkonsequent, sondern ein eklatantes Versäumnis der Politik angesichts der ökologischen und gesundheitlichen Katastrophe, die von Polyester ausgeht.

Die Größenordnung des Problems lässt sich nicht kleinreden: Bei jedem Waschgang einer Polyesterjacke können bis zu einer Million winziger Mikrofasern ins Abwasser gelangen. Diese Mikropartikel summieren sich weltweit auf hunderte Tausende Tonnen, die sich in Gewässern und Meeren anreichern und langfristig die Nahrungskette kontaminieren. Und der CO₂-Fußabdruck? Polyester-Kleidung verursacht mehr als doppelt so viele Treibhausgasemissionen wie vergleichbare Baumwollprodukte, durch die fossilen Brennstoffe, die zu ihrer Herstellung benötigt werden.

Ein weiterer Haken: Das „recycelte“ Polyester auf dem Markt stammt meist nicht aus ausgemusterter Kleidung, sondern vor allem aus Plastikflaschen. Also weniger ein Beitrag zur Kreislaufwirtschaft und mehr eine geschickte PR-Strategie.

Polyester ist der unverzichtbare Brennstoff, der Ultra-Fast-Fashion überhaupt erst möglich macht – und gleichzeitig eine tickende ökologische Zeitbombe. Solange dieses Material weiter ohne vernünftige Regulierung und in Massen eingesetzt wird, bleibt eine echte Wende in der Modeindustrie Illusion. Wer die Fast-Fashion-Maschine abschalten will, muss ihr den Sprit – also Polyester – abdrehen.

Eine modifizierte Modewelt ohne Polyester-Exzesse ist kein Traum, sondern eine dringende Notwendigkeit – mit Materialinnovationen, echten Kreislaufsystemen und nachhaltiger Produktion. Wenn wir jetzt nicht handeln, ertrinkt die nächste Generation im Plastikmüll eines T-Shirts, das noch gebaut wurde, als Homo sapiens gerade erst begann, übers Feuer zu herrschen.

 

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